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Abb.: Gebetsraum im Exerzitienhaus
des Bistums Trier in St. Thomas

Konzept
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Gebetsraum im Exerzitienhaus des Bistums Trier in St. Thomas

Eine außergewöhnliche Lichterscheinung, die lockt, genauer hinzusehen. Ein Boden, der nicht mit Schuhen betreten werden darf. Ein Ort, der den Einzelnen meint und ihn mit seiner Geschichte und mit seiner Zukunft in Beziehung bringt. Ein Ort der Gottesbegegnung! Sie verstehen: die Erzählung von der Begegnung Mose mit Gott am Horeb erklingt nicht von Ungefähr an diesem Tag, da wir zusammen gekommen sind, um diesen Gebetsraum seiner Bestimmung zu übergeben! Denn die Bestimmung dieses Raumes und seiner besonderen Gestaltung ist es ja tatsächlich, dass Menschen hier nähertreten, dass die sich auf sich selbst besinnen, dass sie hier ihre Geschichte und ihre Zukunft in den Blick nehmen. Ein Ort, der sie einlädt die Begegnung mit Gott zu suchen!

Wir nennen diesen Ort ja nicht umsonst „Gebetsraum“, weil er dem Gebet der Gäste unseres Exerzitienhauses dienen soll. Weil er sie einladen soll, sich zu öffnen für die andere Dimension ihres Lebens, die den Alltag – das Schafehüten – übersteigt; jene Dimension, die wir deshalb „Transzendenz“, „Übersteigen“ nennen.

Und ich glaube, das ist uns gelungen. Die wenigen Menschen, denen ich in den vergangenen zwei Wochen seit der Fertigstellung diesen Gebetsraumes zeigen konnte, waren beeindruckt und gerührt. Sie gerieten ins Staunen und sprachen davon, hier könne man sich wohlfühlen, dieser Raum lade sie wirklich ein. Sie waren berührt von diesem Raum, von seiner Schönheit, von der außer-gewöhnlichen Lichtgestaltung, von der Klarheit seiner Gliederung. Und sie waren „fasziniert“!

Das „fascinosum“, das Fasziniertsein, das Berührtsein ist ein wesentliches Element jeglicher Religion. Das Gerührtsein und das Staunen liegen am Grund, wenn Menschen sich einlassen auf diese größere Dimension des Lebens, wenn sie sich auf sich selbst besinnen und weiter und tiefer fragen, als der Alltag es von ihnen erwartet. Und das anzuregen und zu ermöglichen, haben wir hier geschafft!

Wenn ich in diesem Zusammenhang „wir“ sage, dann meine ich damit natürlich vor allem den Künstler Stefan Knor, der diesen Raum mit seinem außergewöhnlichen Licht und seinem Kreuz, mit dem Altar und der Anbetungsstele gestaltet hat. Durch die Verwirklichung seiner Ideen wurde hier Kunst geschaffen. Denn das ist doch die Absicht von Kunst: Menschen in Staunen zu versetzen, durch Berührung zum tieferen Fragen anzuregen, durch ihre Schönheit das Mehr des Lebens in den Blick zu nehmen. Hier ist wirkliche Kunst gelungen!

Aber haben wir deshalb schon einen Gebetsraum geschaffen? Einen Raum des Gebetes? In der Tat: dieser Raum in seiner Kunst – zunächst einmal ist er nur Rahmen, nur äußerlich. Die Berührung durch das, was ich hier sehe, ist zunächst und zuerst nur Berührung von Außen. Ich kann fasziniert sein von der künstlerischen Idee, von der Schönheit ihrer Umsetzung, von dem Außergewöhnlichen des Lichts. Bleibt es dabei, dann ist dieser Raum nur Effekt. Zum Gebet wird das, was hier geschieht, nur dann, wenn die Menschen sich einlassen auf die Berührung, wenn sie bereit sind für den Überstieg des Alltags, wenn sie sich öffnen. Wenn sie sich dazu entscheiden und wirklich weiter fragen und suchen. Wäre das nicht so und würde dieser Raum allein das bewirken, dann wäre er Manipulation. Dann würden wir etwas machen. Und dem entzieht sich die wahre Begegnung Gottes immer. Gotteserfahrung ist nicht machbar!

Und dennoch ist die Gestaltung wichtig und elementar. Auch Mose ist erst aufmerksam geworden auf das Mehr, weil er berührt wurde von der außergewöhnlichen Lichterscheinung – und durch sie neugierig wurde. Wichtig ist die Gestaltung eines Raumes des Gebetes, weil wir bei aller freien Entscheidung des Geistes doch immer auch leibhaftige Wesen sind. Das Sehen und Fühlen des Leibes, das Wahrnehmen dessen, was ist, macht mich innerlich, geistig und seelisch, bereit mich einzulassen auf das Mehr des Lebens, auf das Übersteigen des Alltäglichen, auf den Anruf und das Infragestellen. Was ich hier sehe und fühle, kann mich bereit machen, weiter zu suchen – und finden zu wollen. Und was ich hier spüre und sehe ist wichtig für das, was ich suche und finden will.

So ist die Gestaltung des Raumes nicht bloß die äußere Bedingung für diesen Prozess. Sie bestimmt auch den Inhalt des inneren Prozesses mit. Denn das, was ich hier sehe, will Ausdruck sein für die inhaltliche Botschaft des Glaubens. Ist Zeugnis von dem Gott, der sich als Licht offenbart und als Liebe. Sich in dem Licht hier wohl zu fühlen, kann hinführen zur Besinnung auf den Gott, der mir wohl will. Ohne Schuhe diesen Boden hier zu betreten und auf eine andere Weise zu fühlen, dass ich leibhaftig gegenwärtig bin, kann helfen zu der Erfahrung, dass ich von Gott leibhaftig geschaffen bin und von ihm gewollt und ernst genommen. Dieses markante Kreuz kann meinen inneren Blick lenken auf den Gott, der sich mir in Jesus Christus nähern will, der mein Schicksal annimmt und teilt, der als der Lebendige mir nahe ist, der für mich da ist. Die überdimensionierte vertikale Ausrichtung des Korpus zeigt in meine eigene und in die Tiefe Gottes. Seine weit ausladenden Arme greifen in die Welt und zu den anderen Menschen, denen allen die Liebe des Herrn gilt, und die zum Inhalt meiner Liebe werden sollen. Die schlichte Schönheit des Altars und der Anbetungsstele mag mich hinführen zum Angerührtsein von dem Gott, als dessen Eigenschaft die Theologie die „Schönheit“ preist. Die Künstlerin Christa-Maria Weber-Keimer hat einmal auf die Frage geantwortet, was sie denn für gute religiöse Kunst hält: „Gute religiöse Kunst ist, wenn ich davon beten kann.“ Ich glaube, hier kann man beten!.

Wir haben einen Gebetsraum, der Zeugnis gibt von dem in der Welt gegenwärtigen Gott, von dem „Ich-bin-da“, und wir haben einen Gebetsraum, der wirklich einlädt, sich für diesen Gott zu öffnen. Wir haben einen Raum, der als solcher gebraucht werden will zum Gebet, zur Meditation, zur Besinnung, zur Anbetung und zur Feier der Eucharistie. Ich bin überzeugt, dass er dieser Bestimmung gerecht wird, und dass diejenigen, die ihn nutzen werden, mehr hinfinden zu dem Gott, der ihnen begegnen will. Dass dies geschehe, darum lasst uns nun beten, wenn wir den Raum und den Altar segnen.

Direktor Ralf Braun

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